Magnetresonanz im Festkörper: Magic-Angle Spinning NMR und Dynamische Kernspinpolarisation

Assoziierte Arbeitsgruppe Prof. Björn Corzilius (Universität Rostock)

Magnetische Kernspinresonanz (NMR) erlaubt es, die Nahordnung zwischen benachbarten Atomkernen aufzulösen, und somit den Aufbau von Molekülen und Festkörpern auf atomarer Ebene aufzuklären. Hierbei ist im Vergleich zu anderen Methoden wie Röntgendiffraktometrie keine Fernordnung notwendig. Somit ist die Festkörper-NMR die Methodik der Wahl zur Untersuchung von niedriggeordneten Proben wie (Bio-)Polymeren, kolloidalen Suspensionen, oder amorphen Festkörpern. In Kombination mit dynamischer Kernspinpolarisation (DNP) können besonders selektiv die Oberflächen von Festkörpern und Materialien analysiert werden.

 

Im Vergleich zur NMR in Lösung dominieren in Festkörpern typischerweise die internen bzw. anisotropen Interaktionen von Kernspins, d.h. Wechselwirkungen, die von der Orientierung des molekularen oder kristallinen Systems zum externen Magnetfeld abhängen. Dies stellt ein enormes Potential an Information dar, sorgt aber gleichzeitig für eine große Linienbreite der Kernresonanz-Signale im NMR-Spektrum. Aus diesem Grund kommt bei uns die Methode des Magic-Angle-Spinnings zum Einsatz, bei der die Probe im „magischen Winkel“ von 54.74° zum externen Magnetfeld bei Rotationsfrequenzen bis zu 67 kHz gedreht wird. Hierdurch werden diese Wechselwirkungen fast vollständig ausgemittelt und die Auflösung enorm verbessert; gleichzeitig können sie allerdings durch Radiofrequenz-Pulssequenzen wieder kontrolliert eingeführt werden, um die wertvollen Informationen über das Spinsystem und somit den atomaren Aufbau zu erhalten.

Unter typischen NMR-Bedingungen ist die Besetzungsdifferenz der Kernspin-Zustände sehr gering: Nur etwa 1 von 10.000 Spins trägt effektiv zum messbaren NMR-Signal bei. Dies beruht auf der nahezu gleichen Besetzung von deren Grundzustand (α) und angeregten Zustand (β). Elektronenspins besitzen ein sehr viel größeres magnetisches Moment und somit auch eine größere Aufspaltungsenergie unter gleichen Bedingungen (Magnetfeld und Temperatur), so dass hier eine Besetzungsdifferenz von etwa 6% auftritt. Durch den Einsatz spezieller Instrumentierung kann durch Einstrahlung von hochfrequenten Mikrowellen diese Besetzungsdifferenz auf die Kernspins übertragen werden und somit eine ~100-1000-fache Signalverstärkung im NMR-Spektrum erzeugt werden. Für diese dynamische Kernspinpolarisation (engl. dynamic nuclear polarization, DNP) verwenden wir ein 263-GHz-Gyrotron als Mikrowellenquelle und können die Probentemperatur durch ein spezielles Kryo-MAS-System auf etwa 100 K absenken.[1]

 

In einer Kollaboration mit der Arbeitsgruppe Brückner untersuchen wir die Struktur-Reaktivitätsbeziehungen geträgerter Ni/SiO2-Al2O3-Katalysatoren in der Olefinoligomerisierung. Hierbei setzen wir konzertiert unterschiedliche Magnetresonanzmethoden wie Festkörper-NMR, (operando-)EPR, sowie DNP-verstärkte MAS NMR ein.

In langjährigen Forschungsarbeiten zur Buten-Dimerisierung mit Ni/SiO2-Al2O3 Katalysatoren [2] [3] wurde gefunden, dass Aktivität und Selektivität entscheidend von zwei Eigenschaften abhängen, 1) der Brønsted-aciden Zentren (BA) der Träger und 2) der Struktur der Ni-Spezies. BA sind einerseits erforderlich, um individuelle Ni-Zentren auf dem Träger zu stabilisieren und die Bildung inaktiver Ni-Cluster zu verhindern, katalysieren aber andererseits die unerwünschte Isomerisierung zu stark verzweigten und längerkettigen Produkten >C8. Im Falle von Ni/SiO2-Al2O3 Katalysatoren wurde der in der folgenden Abbildung dargestellte Prozess bei der Imprägnierung mit Ni(COD)2 bzw. Ni(cp)2 vorgeschlagen und durch operando-EPR bzw. FTIR von adsorbiertem CO unterstützt. [2]

 

Es bleibt jedoch unklar, welche Trägeratome vorzugsweise in die unmittelbare Koordination der Ni-Zentren eingebunden werden (Si oder Al) und wie dies die elektronischen und strukturellen Eigenschaften sowie das katalytische Verhalten beeinflusst.

Im Zusammenspiel der verschiedenen Magnetresonanzmethoden soll ein breites spektroskopisches Portfolio geschaffen werden, mit dem gezielt mechanistische Fragen zu Aktivität und Selektivität von heterogenen Katalysatoren beantwortet werden können.

Literatur

[1] Lilly Thankamony, A. S.; Wittmann, J. J.; Kaushik, M.; Corzilius, B. Dynamic Nuclear Polarization for Sensitivity Enhancement in Modern Solid-State NMR. Prog. Nucl. Magn. Reson. Spectrosc. 2017, 102-103, 120-195.

[2] Rabeah, J.; Radnik, J.; Briois, V.; Maschmeyer, D.; Stochniol, G.; Peitz, S.; Reeker, H.; La Fontaine, C.; Brückner, A. Tracing Active Sites in Supported Ni Catalysts during Butene Oligomerization by Operando Spectroscopy under Pressure. ACS Catalysis 2016, 6, 8224-8228.

[3] Vuong, T. H.; Rockstroh, N.; Bentrup, U.; Rabeah, J.; Knossalla, J.; Peitz, S.; Franke, R.; Brückner, A. Role of Surface Acidity in Formation and Performance of Active Ni Single Sites in Supported Catalysts for Butene Dimerization: A View inside by Operando EPR and In Situ FTIR Spectroscopy. ACS Catalysis 2021, 11, 3541-3552.